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Doppelsterne
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KIC 9832227 : ein W-Ursa-Majoris Stern im Sternbild Schwan

J.S.Schlimmer (11/2018)

Prolog

Im Frühjahr / Sommer 2018 wurde in den Medien eine rote Nova im Sternbild Schwan angekündigt, die sich in 2022 (± 7 Monate) ereignen sollte [1]. Die Vorhersage beruhte auf Messungen des engen Doppelsterns KIC 9832227, dessen Umlaufdauer sich in kurzer Zeit dramatisch verkürzen sollte. Durch diesen Artikel angeregt startete ich ab August eigene Beobachtungen.
Einige Monate später wurde jedoch eine weitere Untersuchung veröffentlicht, die einem baldigen Nova Ereignis widersprach [2, 3]. Es bleibt daher in Zukunft weiterhin spannend.


Abbildung 1 : Übersicht über die Umgebung von KIC 9832227

Allgemeines

Bei KIC 9832227 handelt es sich um einen 12,27 mag schwachen Doppelstern, der sich in rund 11 Stunden um seinen gemeinsamen Schwerpunkt dreht. Die Hauptkomponente besitzt eine 1,4-fache Sonnenmasse, der Begleiter besitzt lediglich eine 0,32-fache Sonnenmasse. Die Radien betragen das 1,58- und 0,83-fache des Sonnenradius, wobei beide Komponenten in direktem Kontakt miteinander stehen. Dadurch ist ihre Gestalt elliptisch verformt. Durch den Materiestrom gibt es eine gemeinsame äußere Hülle, so dass beide annähernd die gleiche Oberflächentemperatur besitzen. Bei einer Umdrehung bedecken sich beide Komponenten gegenseitig. Durch den Kontakt beider Sterne zeigt sich der Umlauf in Form eines periodischen Lichtwechsels. Die Magnitude beträgt jedoch lediglich 0,21 mag.


Eigene Beobachtungen


Anhand eigener Beobachtungen wollte ich die Periode aufzeichnen und so im Laufe der kommenden Jahre Veränderungen in der Umlaufdauer mitverfolgen. Da ich bislang keine Erfahrung mit der Beobachtung von Veränderlichen hatte, gab es mehrere Herausforderungen. Zum einen war es mir von Anfang an klar, dass ich nicht einen gesamten Umlauf mitverfolgen konnte, sondern lediglich Ausschnitte dieser Bahn. Daher waren mehrere Messungen an verschiedenen Tagen notwendig, die später durch eine geeignete Sinuskurve angenähert werden sollten. Zum anderen war nicht klar, ob ich einen Lichtwechsel von lediglich 0,2 mag mit hinreichender Genauigkeit messen konnte.


Kennlinie der Empfindlichkeit der Canon 1100D



Abbildung 2 : Kennlinien der Canon EOS1100D für 200 und 400 ASA anhand verschiedener Sterne

Eine Grundvoraussetzung für fotometrische Messungen ist die Kenntnis der Kennlinie der Kamera. Eine lineare Kennlinie ist hierbei von großem Vorteil. Die Kennlinie kann mit wenigen Aufnahmen bei unterschiedlichen Belichtungszeiten leicht ermittelt werden. Die Flux Werte können mit dem Programm FITSWORK [4] einfach ausgelesen werden. Abbildung 2 zeigt Kennlinien bei 200 ASA und 400 ASA an verschiedenen Sternen. Bei 400 ASA ist der lineare Bereich sehr begrenzt und daher für die Fotometrie nicht geeignet. Die blaue Kurve wurde anhand von KIC 9832227 bei 200 ASA gewonnen. Sie ist über den gesamten gemessenen Bereich bis 90 Sekunden Belichtungszeit linear.


Messungen und Analyse

Im August begannen die ersten visuellen Beobachtungen sowie die ersten Testaufnahmen mit dem 12-Zoll Newton Teleskop. Für die Aufnahmen im August und September wurde zunächst eine Belichtungszeit von 30 Sekunden gewählt, die Aufnahmen im Oktober wurden mit einer Belichtungszeit von 15 Sekunden durchgeführt. Insgesamt wurden 233 Aufnahmen angefertigt. Mit fortschreitender Zeit steht das Sternbild Schwan im Spätsommer und Herbst immer tiefer am Himmel. Obwohl es abends früher dunkel wird und die Messungen früher beginnen können, verringert sich die Höhe über dem Horizont, so dass KIC 9832227 gegen Ende der Messungen nur noch ca. 30° über dem Horizont stand (Abbildung 3).


Abbildung 3 : Übersicht über die Messungen im September und Oktober in Abhängigkeit von der Horizonthöhe

Die Auswertung erfolgte mit MUNIWIN [5], einem Freeware Programm. MUNIWIN ist in der Lage das CR2 Format von Canon direkt einzulesen. Bei der Verarbeitung werden die 14 Bit Dateien in ein 16 Bit Format überführt. Zur Analyse wurden hier nur die Daten vom Grün-Kanal verwendet. Der Radius für die Messungen vom Hintergrund betrug für den inneren Kreis 25 Pixel, für den äußeren Kreis 35 Pixel. Die Analysen wurden zunächst mit 10 Vergleichssternen, später jedoch lediglich mit 4 Vergleichssternen durchgeführt, da eine hohe Anzahl von Vergleichssternen die Korrelation zwischen den Aufnahmen reduzieren kann. Letztlich konnte von den 233 Aufnahmen bei 185 eine Korrelation zwischen den Sternen gefunden werden. Mit Kenntnis von Rektaszension und Deklination sowie den geografischen Koordinaten des Beobachtungsortes wird die Weglänge des Lichtes durch die Atmosphäre berücksichtigt und die hierdurch entstehende Lichtschwächung automatisch korrigiert. Die Ergebnisse können als Text Datei exportiert und z.B. mit einem Tabellenkalkulationsprogramm weiter analysiert werden.


Abbildung 4: KIC 9832227 und die zur Auswertung verwendeten Vergleichssterne

Die eigentliche Analyse bestand jedoch darin, eine geeignete Sinuskurve den Messpunkten zu überlagern und daraus die Umlaufdauer sowie die Amplitude des Lichtwechsels zu bestimmen. Hierzu musste erst einmal die Amplitude, der Offset und der Zeitpunkt des Nulldurchgangs festgelegt werden.
  • Amplitude = Mittelwert Amax + Betrag vom Mittelwert Amin = 0,241 mag
  • Offset = (Mittelwert Amax + Mittelwert Amin)/2 = 0,067 mag
  • Lichtwechsel = 0,229 Tage bzw. Periode = 0,458
Zur Kontrolle wurden für alle Messungen die Residuen berechnet um anhand der Fehlerquadratsumme eine Übersicht über die Qualität der approximierten Kurve zu erhalten. Insgesamt lieferte der Literaturwert für die Umlaufdauer P=0,458 Tage und eine Amplitude mit A= 0,19 mag (Literatur A= 0,21 mag) die besten Werte. Allerdings repräsentiert diese Amplitude die gemessenen Extremwerte nicht gut, so dass ich mich letztlich dagegen entschied. Für die Bestimmung des Nulldurchgangs wurden die Messungen vom 4. Oktober herangezogen. Die Sinuskurve wurde von diesem Zeitpunkt aus voraus bzw. zurück berechnet. Nachfolgende Abbildung gibt eine Übersicht über die Messungen im September und Oktober. Die Sinuskurve verdeutlicht die Anzahl der Lichtwechsel in der gleichen Zeit. In den Abbildungen 6 bis 10 werden die Messungen im Detail dargestellt.


Abbildung 5: Übersicht über die Messungen im September und Oktober 2018




Abbildung 6 : Messungen vom 18. August, 26 Aufnahmen




Abbildung 7 : Messungen vom 1. September, ebenfalls 26 Aufnahmen



Abbildung 7 : Messungen vom 5. September, 18 Aufnahmen



Abbildung 8 : Messungen vom 11. September, 12 Aufnahmen



Abbildung 9 : Messungen vom 4. und 5. Oktober (43 bzw. 52 Aufnahmen), das rote Kreuz markiert den Ursprung der Sinuskurve





Abbildung 10 : Messungen vom 10.Oktober, 18 Aufnahmen



Quellennachweis

[1] Rote Nova mit Ansage, Klaus-Peter Schröder, Sterne und Weltraum, Juni 2018
[2] Rote Nova mit Ansage, Sterne und Weltraum, November 2018
[3] KIC 9832227: Using Vulcan Data to Negate the 2022 Red Nova Merger Prediction, Quentin
Socia et al, The Astronomical Journal Letters, September 2018
[4] FITSWORK, https://www.fitswork.de/software/
[5] MUNIWIN, http://c-munipack.sourceforge.net/




Danksagung

This
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